Folgt man der europäischen Berichterstattung über den Afghanistan-Krieg dann tritt die Bevölkerung am Hindukusch, allen voran Frauen, dort meist als Opfer von Taliban und anderen fundamentalistischen Gruppen in Erscheinung. Der Aktivismus und Widerstand, der Bürgersinn und die zivile Emanzipation vieler Afghanen und Afghaninnen hingegen bleiben in der Berichterstattung in der Regel unerwähnt und unsichtbar. Dass der Versuch des state buildings in Afghanistan mit intervenierter Hilfe jedoch ein Narrativ ist, der hierzulande neu und anders erzählt werden muss, versucht Martin Gerner anhand seiner langjährigen Erfahrung vor Ort und reichlich seltenem Bildmaterial zu zeigen, das sich auf Augenhöhe mit den Menschen in dem Land begibt.
Der Autor in Krisen- und Konfliktgebieten, Dozent und Filmemacher wirft dabei auch Fragen auf, die Fluchtgründe und Migration vieler junger Menschen aus Afghanistan beleuchten sowie Realitäten der freiwilligen oder erzwungenen Rückkehr in das Land. Beides Dinge die ebenfalls zu seinem Forschungsgebiet gehören.
Alles hängt unweigerlich miteinander zusammen: wer ein besseres Wissen über Land und Leute am Hindukusch hat, kann auch hier in Deutschland besser mit zugewanderten Afghanen und Afghaninnen ins Gespräch kommen und seine eigene Rolle in diesem globalen Geflecht sich ständig erneuernder Migrationsbewegungen neu erkennen und definieren.
Martin Gerner ist freier Autor und Dozent für Peacebuilding Studies und Interkulturalität. In Afghanistan hilft er seit 2001 beim Aufbau einer neuen Medienlandschaft und setzt sich für Presse- und Meinungsfreiheit ein. ARD-Hörfunkautor und Dokumentarfilmer (www.generation-kunduz.com; www.martingerner.de), Referent und Kurator für Afghanistan in Fort-, Weiter- und Schulbildung.